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Auf Hochzeitsreise in der Manfred-Sauer-Stiftung

Flitterwochen in Lobbach? Das klingt zunächst ein wenig unspektakulär, aber Andrea Lammers und Thomas Präger sind sich sicher: „Wir kommen hier voll auf unsere Kosten!“ Das frisch getraute Ehepaar nimmt am fünftägigen Mobilitäts- und Rollstuhltraining Stufe 1 teil und genießt dabei einen rundum entspannten Aufenthalt mit Wellnessangeboten und Kulinarik.

 
von Nikola Hahn

Drei Tage vor Kursbeginn haben die beiden nach acht Jahren in „wilder Ehe“ geheiratet. Eigentlich wollten sie das schon 2008 tun, aber dann verletzte sich Thomas Präger bei einem Motorradunfall so schwer, dass die Welt für beide und ihre drei Kinder aus früheren Ehen komplett aus den Fugen geriet. Ans Heiraten war nicht mehr zu denken. Sechs Wochen lang lag Thomas Präger im Koma. „An ihm war nur noch der linke Arm heil“, erinnert sich Andrea Lammers. Die Rippen und andere Brüche verheilten schließlich; die Verletzung des Rückenmarks im Brustwirbelbereich (Th5) blieb. Seitdem ist Thomas Präger Rollstuhlfahrer.

Mit viel Ehrgeiz begab er sich auf den Weg zurück in ein selbstständiges Leben. Die Funktionalität beider Arme zurückzugewinnen, war dabei eines seiner wichtigsten Ziele. Mittlerweile hat auch sein rechter Arm einen Teil der alten Kraft wiedergewonnen, wesentlich etwa zum eigenständigen Antrieb seines Rollstuhls. „Aber wenn ich draußen unterwegs bin, fühle ich mich oft hilflos“, sagt Präger. Die Patchworkfamilie lebt in Schwäbisch Hall, einem Städtchen am Hang mit viel Kopfsteinpflaster. Dort bezogen sie nach dem Unfall ein größeres Haus, das barrierefrei umgebaut wurde. Thomas Präger arbeitet hier im Homeoffice für die Daimler AG in Stuttgart.

 Der Aufenthalt in der Manfred-Sauer-Stiftung ist ihre erste Reise nach dem Unglück. „Allein wegen der sanitären Einrichtungen haben wir es bisher nicht gewagt, irgendwo hinzufahren – hier in der Stiftung dagegen ist alles da!“, freut sich Präger über das vollständig barrierefrei ausgestattete Stiftungs-Hotel. „Für mich ist das auch genial“, ergänzt seine Frau: „Ich liebe die Fitnesskurse, lasse mich massieren, und das Essen ist auch so lecker!“ Zusammen mit ihrem Mann nimmt Andrea Lammers am „Mobi-Training“ teil. „Es ist einfach klasse, dass die Angehörigen dieselben Übungen machen, wie die Rollifahrer“, findet sie. Mittags sieht man daher nicht nur die Teilnehmer mit Handicap in ihren Rollis zum Essen fahren, sondern auch deren Partner. Besonders wichtig ist allen überdies der Erfahrungsaustausch untereinander, der nicht selten unbezahlbare Tipps hervorbringt.

 „Der Trainer hat fast dasselbe wie ich, aber er kann viel mehr!“, musste Thomas Präger feststellen. „Jetzt rattert es in ihm“, weiß seine Frau und findet das super: „Ausreden gelten hier nicht, denn wenn die Trainer selbst betroffen sind, wissen sie, wovon sie reden.“ Und dann erzählt sie, dass ihr Mann zwar mit ordentlich Ehrgeiz sein Leben wieder in die Hand genommen habe, aber an einem bestimmten Punkt sei es einfach nicht weitergegangen. „Das ist jetzt halt so!“, habe er öfters verlauten lassen. Matthias Schilling, Trainer des Mobilitätskurses und selbst Paraplegiker, führt ihm nun vor Augen, dass es auch nach Jahren durchaus noch Möglichkeiten geben kann, sich zu steigern. Da wäre zum Beispiel die Kraft bedeutender Rückenmuskeln, die nach entsprechendem Training die eigene Mobilität und damit auch die Selbstständigkeit ausbauen könnten. „Matthias hat außerdem zu mir gesagt, du bist 10 Kilo zu schwer“, bemerkt Thomas Präger. Es klingt fast so, als habe der Meister zu ihm gesprochen. Und vielleicht hat die Konfrontation mit neuen Maßstäben bei ihm tatsächlich veränderte Ansprüche an sich selbst ausgelöst.

„Wenn der Matthias Schilling ins Auto steigt, das geht so schnell, da könnte man neidisch werden“, staunt Thomas Präger und ist es zweifelsohne längst. Im Training „Transfer Boden und Auto“ lernen alle Teilnehmer des Mobilitätstrainings, wie sie am besten vom Rollstuhl ins Auto kommen. Wichtig dabei: Einen Fuß bereits in den Wagen setzten und den Bodenkontakt nicht verlieren. Thomas Präger kennt jetzt die Technik, braucht aber noch mehr Oberkörperstabilität und langt da wieder bei seiner Rückenmuskulatur an. Die will er ab sofort gezielt trainieren und weiß genau, wofür sich die Mühe lohnen soll. „Mal sehen, wie lange es hebt“, bemerkt die Frau an seiner Seite trocken und kann doch ihren Triumph nicht verbergen. „Andrea hat schon lange gewollt, dass wir an diesem Kurs teilnehmen“, erklärt Thomas Präger.

Einen Kritikpunkt hat das Paar dann aber doch noch: „Das Einzige, was gefehlt hat, waren die Rosenblätter im Zimmer!“ Dabei hätten sie extra verlauten lassen, dass sie sich auf Hochzeitsreise befänden, lacht Andrea Lammers. Mit viel praxisnahem Input, gründlichem Erfahrungsaustausch und neuem Mut wollen die beiden den Alltag zu Hause nun wieder aufnehmen und sich in Zukunft auch mal andere Reiseziele als Lobbach zutrauen. Den Kurs „Transfertechniken und Bewegungsübergänge“ im Herbst haben die beiden aber bereits jetzt fest eingeplant.

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